Wie so manch einem Azorenreisenden ergeht es auch der Hauptfigur in Elisabeth von Goessels zweitem Roman „Azorenhoch mit Meerestiefen“. Ahnungslos begibt sie sich auf die Reise – nicht um Urlaub zu machen, sondern im Auftrag eines Reisejournals – für einen Artikel über Wale und Walbeobachtung. Die Azoren kennt sie nur vom Azorenhoch. Das Thema Walbeobachtung ist ihr gut bekannt, aber eher in Zusammenhang mit bekannteren Reisezielen.
So macht sie sich also auf nach Pico, und mit ihr zusammen kann man das besondere Flair der Inselwelt entdecken oder sich daran erinnern, wie es war, als man das erste Mal tief durchgeatmet hat bei der Aussicht über grüne, hortensiengesäumte Hügel hinaus aufs Meer. Oder gestaunt hat beim Anblick des mächtigen Vulkans, der so heißt wie die Insel selbst.
Bevor man allerdings mit Carlotta in die geheimnisvolle Welt der Wale hinabtauchen könnte, kommt ihr ein verbitterter Bürokrat in die Quere und schon beginnen die Verwicklungen. Bei einem notwendig gewordenen Abstecher nach Faial lernt sie nicht nur die Tücken des Canals zwischen den beiden Inseln kennen, sondern auch einige interessante Menschen, die sowohl der Reise als auch ihrem Leben eine unerwartete Wendung geben werden.
Elisabeth von Goessel beschreibt Inseln und Meer, Einwohner und Durchreisende – und macht Lust, dieses bezaubernde jedoch gleichwohl von Vulkanen wie auch von Menschen bedrohte Archipel kennenzulernen. Sehr kurzweilig, spannungsgeladen, voller Fakten über die Azoren entwickelt sie die Geschichte, die ganz nebenbei auch als (berechtigte) Hommage an azoreanische Taxifahrer durchgehen kann.
Azorenhoch mit Meerestiefen. Roman, MCT-Verlag, 14,90 €
Am Donnerstag, dem 14.April, um 20.00 Uhr präsentiert die Frankfurter Autorin ihren neuen Roman Azorenhoch mit Meerestiefen. Dazu gibt es Fado und Vinho Tinto.
Elisabeth von Goessel hat darin eine Krimigeschichte mit der landeskundlichen Geschichte der beiden Azoreninseln Faial und Pico verknüpft.
Die Protagonistin des Romans ist die Berliner Meeresbiologin Carlotta Brunotte. Diese kommt in einem intelligent inszenierten Katz- und Maus-Spiel nicht nur dem bislang verborgenen zweiten Leben ihres Großvaters auf die Spur, sondern gerät auch in einen Skandal um die Naturschutzbehörde der Inseln.
Azorenhoch mit Meerestiefen. Roman, MCT-Verlag, 14,90 €
TFM – Centro do Livro, Große Seestr. 47, 60486 Frankfurt
Eintritt frei, Lesung und Gespräch in deutscher Sprache
In Marlene Faros Roman Die Vogelkundlerin geht es nicht um die Vogelwelt der Azoren. Der endemische Azorengimpel, im Portugiesischen Priolo genannt, wird nur erwähnt.
Das Buch ist unterhaltsam, Situationskomik und Beschreibungen durchaus witzig. Da ist zum Beispiel die Freundin der Romanheldin, die sich – auch auf Kosten derselben – stets alles so schön redet, wie sie es gerade braucht. Oder die sarkastischen Denkblasen der Hauptfigur, die unter ihrer Mauerblümchenfassade ganz schön bissig sein kann.
Über die Hauptinsel der Azoren São Miguel gibt es für Kenner der Insel nicht viel Neues zu erfahren. Doch die Autorin erzählt auf schöne Weise, was der eine oder andere Azorenurlauber wohl ebenso empfunden haben mag – wenn er vielleicht bemerkt hat, dass er ganz gegen seine Gewohnheit fremde Leute auf der Straße anlächelt – oder, wie heiss so ein Galão sein kann.
Die Rahmenhandlung allerdings ist nicht der Rede wert. In einen einstündigen Spaziergang rund um den Furnas-See eine Liebesgeschichte mit Zukunftsaussichten hineinzuinterpretieren – das fand ich schon bei Fontanes Effi Briest zu viel verlangt (wenn auch die beiden Werke abgesehen davon nicht vergleichbar sind).
Und warum aktuelle Autoren ausgerechnet auf den Azoren stets Triebtäter in ihre Geschichten einbauen müssen, lässt sich wohl nur so erklären, dass es die größtmögliche Zerstörung der üblicherweise als Paradies gelobten Idylle wäre.
Wer sich also an diesen Punkten nicht stört, kann sich der witzig-zynischen Schreibweise des Romans möglicherweise erfreuen:
Wer einmal einen schönen Urlaub auf den Azoren verbracht hat, wird sich sicherlich wundern, wie jemand gerade dort die Idee zu einem Krimi entwickeln kann. Alles wirkt so ruhig und friedlich, die Menschen sind sehr freundlich, mit ausgeprägtem Familiensinn und nur selten macht es Sinn, Türen abzuschließen.
Dennoch, woher will man wissen, was hinter angelehnten Türen geschieht? Oder was in einer gar nicht so fernen Zukunft passieren kann? Und auch in der Vergangenheit war das Leben auf den Inseln niemals das Paradies, sondern harte Arbeit unter ständiger Bedrohung durch Vulkanausbrüche, Erdbeben oder Piratenüberfälle.
Da erscheint es gar nicht so weit her geholt, wenn in Ben FaridisDas Schweigen der Familie: Azoren-Krimi mit Rezepten (aus der Reihe Mord und Nachschlag vom Oktober Verlag) Kommissar Jao Baptista nach Corvo reisen muss, um dort den ersten Mord in der Geschichte der kleinsten Azoreninsel aufzuklären.
Auch wenn man als Azorenreisender vieles in den Beschreibungen wiedererkennt – die Anreise mit dem Flugzeug, den Spaziergang durch Ponta Delgada beim obligatorischen Zwischenstop auf der Hauptinsel São Miguel, Corvo selbst, den Caldeirão, die Häuserfassaden, den Hafen – so will Ben Faridis Corvo doch in einigen kleinen Details nicht der Realität entsprechen.
Zum Glück! So kann man weiter hoffen, dass der Sumpf, den Jao Baptista im Krimi nach und nach aufdeckt, zum Teil doch nur aus Ben Faridis phantasievoller Feder geflossen ist. Versöhnlich sind auch die wunderbaren Rezepte azorianischer Gerichte wie Bolos oder Cozido das Furnas.
Ben Faridi hat mir freundlichweise ein paar Fragen zu seinem Krimi und zu seiner Sicht auf die Azoren beantwortet:
Hallo Ben, wie bist Du auf das Thema Azoren gekommen?
Reine Neugier. Mich hat an den Azoren fasziniert, dass es Inseln im Nirgendwo sind. Sie liegen in einem großen blauen Nichts zwischen Europa und Amerika. Auf beiden Seiten 2000 km Wasser. Ich stellte mir ein völlig vom Rest der Welt losgelöstes Völkchen wie auf den Galapagosinseln vor. Erst als ich mich mit der Geschichte der Inseln beschäftigt habe, wurde mir klar, dass in den letzten hundert Jahren dort mehr Bewegung war, als in vielen Gegenden auf den Kontinenten.
Welche anderen Azoreninseln hast Du besucht und wie hat es Dir dort gefallen?
Ich war 14 Tage auf São Miguel und habe nur einen Kurztrip nach Flores gemacht mit Ausflug nach Corvo. Leider haben wir es einfach nicht geschafft, die anderen Inseln zu sehen. Das kommt beim nächsten Mal. Alles auf den Azoren ist ungewöhnlich und anders. Mir war sofort klar, dass die Lage und die besondere Kultur eine ideale Umgebung für einen Krimi sein würde. Beim Erwandern von São Miguel und der kurzen Stippvisite in Flores und Corvo hatte ich das starke Gefühl, dass Familie und der Zusammenhalt ein zentrales Thema für die Menschen ist. So bin ich auf das Thema gekommen.
Ist Corvo Deine Lieblingsinsel oder war sie einfach für den Krimi als Schauplatz ideal?
Corvo ist mir persönlich zu klein gewesen. Aber gerade das hat mich eben so beeindruckt. Ich hatte beinahe ein Robinson Crusoe Gefühl. Die Insel ist sehr schlecht zu erreichen und das in einer Inselgruppe umgeben von endlos viel Wasser. Lieblingsinsel könnte ich so gar nicht sagen. Die Inseln sind alle so besonders.
Wird es weitere Azorenkrimis geben?
Soweit ich weiß, habe ich die Ehre, den ersten deutschsprachigen Azorenkrimi geschrieben zu haben. Die Inseln bieten eine fantastische Kulisse für Romane. Wenn ich wieder dort hinreise, schreibe ich bestimmt wieder etwas. Im Moment habe ich mit Baptista einen Italienkrimi in der Mache. Er spielt an der Amalfiküste, einer ähnlich abgeschotteten Gegend auf dem Festland.
Welche anderen Projekte stehen auf Deiner Liste?
Ein weiteres Projekt, an dem ich im Augenblick arbeite, ist ein Krimi in Köln. Daneben schreibe ich und bearbeite Bücher für Jugendliche.
Weitere Infos und Aktuelles über Ben Faridi auf www.benfaridi.de
Kari Köster-Lösche, Die letzte Tide, Roman, gebunden mit Schutzumschlag, Seiten: 352, gebunden, Droemer € 19,95 (D), € 20,60 (A), sFR 34,90 (UVP), ISBN 978-3-426-19850-6
Ein Seemann wird tot aufgefunden. Kopfüber baumelt er in der Takelage der Flora, einer heruntergekommenen Handelsschmack. Sein Fuß hängt verwickelt in den Seilen, wie es aussieht, war es ein Unfall. Doch Sönke Hansen ist nicht ganz wohl bei der Sache.
Zur Sicherheit lässt er sich die Koje des Toten zeigen und entdeckt einen edlen Kalender aus einem seltenen Horn. Ist es Walbein? Oder gar Elfenbein? Aber wie sollte ein einfacher Seemann an so eine Kostbarkeit gekommen sein? Trotz seiner Zweifel gibt Hansen den Toten zur Beerdigung frei, sein Urteil lautet: Kein Anzeichen von Selbstmord, also Unfall.
Als er von Bord geht, flüstert ihm ein Matrose den nächsten Hafen der Flora zu. Wozu gibt er diese Information? Wenige Tage später treibt eben dieser Matrose ertrunken im Hafenbecken. Jetzt wird Wasserbau-Inspektor Sönke Hansen stutzig und nimmt die Ermittlungen auf. Zu groß sind auch die Widersprüche des Kapitäns und des Bootsmanns.
Im vierten Fall um den charismatischen Wasserbauinspektor Sönke Hansen läuft Kari Köster-Lösche zu neuer Hochform auf: Geheimnisvolle Todesfälle, kostbare Schmuggelware und jede Menge Nordseeflair. Spannend verpackt Kari Köster-Lösche Lokalkolorit der Nordseeküste mit historischem Wissen des letzten Jahrhunderts.
[Anmerkung: Die Nachforschungen sollen den Inspektor bis auf die Azoren führen …]
Zur Autorin
Kari Köster-Lösche, geboren 1946, wuchs in Schweden am Meer auf und lebt heute in Norddeutschland. Nach einem Studium der Tiermedizin promovierte sie in Bakteriologie. Seit 1985 arbeitet sie als freie Autorin. Bekannt wurde Kari Köster-Lösche mit ihren zahlreichen historischen Romanen, wie dem Bestseller Die Hakima und zuletzt Die Pestheilerin im Droemer Verlag.
In der Reihe um Wasserbau-Inspektor Sönke Hansen sind im Droemer Verlag bisher erschienen: Mit der Flut kommt der Tod (2005), Der Austernmörder (2006) und Das Grab im Deich (2007).